Maria Svolou (1892-1976)

 

„Wir fordern das Frauenwahlrecht nicht als Preis für unseren Kampf. Wir fordern es im Namen der halben Bevölkerung dieses Landes“, stellte Maria Svolou im Frühsommer 1944 vor der Nationalversammlung der griechischen „Bergregierung“ klar.

Zu diesem Zeitpunkt war Griechenland bereits seit über drei Jahren von deutschen Truppen besetzt. Dennoch war es der antifaschistischen Nationalen Befreiungsfront und der Volksbefreiungsarmee gelungen, weite Gebiete im gebirgigen Hinterland vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. In diesen befreiten Gebieten im mittelgriechischen Evrytania wurde im März 1944 die provisorische Bergregierung (offiziell: Politisches Komitee der Nationalen Befreiung) installiert. „lm freien Griechenland konstituiert das kämpfende Volk eine politische Obrigkeit mit Regierungsfunktionen und dem Hauptziel der besseren Organisierung und Koordinierung des Befreiungskrieges zur Vertreibung der Besatzer“, schrieb dazu die Kommunistische Rundschau KOMEP.

Durch die Verfassung dieser „Bergregierung” wurde auch die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben. Und bei der ersten Wahl, an der sich Griechinnen beteiligen durften (vorher gab es für sie nur ein eingeschränktes Kommunalwahlrecht), wurde Maria Svolou im Mai 1944 – neben Mahi Mavroidi, Fotini Filippidi, Kaiti Zevgou und Chryssa Chatzivasileiou – als eine von fünf Frauen in den Nationalrat der „Bergregierung” gewählt. Damals hatte sie bereits über 20 Jahre ihres Lebens dem Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen in Griechenland gewidmet.

Der Kampf um Gleichberechtigung und Frauenwahlrecht

Maria Svolou (geb. Desypri) kam 1892 in Athen zur Welt. Mit ihrer Familie lebte sie einige Zeit in der Hafenstadt Piräus, dann im mittelgriechischen Larissa, wo ihr Vater Chef der dortigen Zweigstelle der griechischen Nationalbank war. Nach dessen Tod und dem Abschluss ihrer Lehrerinnenausbildung arbeitete sie in Athen im griechischen Wirtschaftsministerium, wo sie auch ihren späteren Mann, den Verfassungsrechtler Alexandros Svolos, kennenlernte.

Maria gehörte dem Gründungskomitee und später dem Vorstand der bürgerlich-liberalen Griechischen Liga für Frauenrechte an, kämpfte für das Frauenwahlrecht und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. 1925 war sie auch maßgeblich an der Eröffnung der ersten Handelsabendschule für arbeitende Frauen beteiligt. Sie vertrat die Liga bei Kongressen unter anderem der International Woman Suffrage Alliance (IWSA), gelangte aber sukzessive zu dem Schluss, dass wirkliche Gleichstellung zwischen den Geschlechtern nur durch eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung zu bewerkstelligen sei. So engagierte sie sich seit Anfang der 1930er-Jahre im Panhellenischen Frauenkomitee gegen Krieg und Faschismus und unterstützte die Arbeit der Kommunistischen Partei Griechenlands.

Ihrer politischen Arbeit wurde durch die Machtübernahme von Ioannis Metaxas am 4. August 1936, der noch am selben Tag Parlament und Verfassung außer Kraft gesetzt hatte, ein abruptes Ende gesetzt. So begleitete sie ihren Mann, der wegen linksliberaler Auffassungen mehrmals seinen Lehrstuhl für Verfassungsrecht an der Universität Athen verlassen musste und auf griechische Inseln verbannt wurde, ins Exil.

Nach dem deutschen Überfall auf Griechenland im April 1941 war Maria Svolou für diverse Organisationen unter dem Dach der von der Kommunistischen Partei initiierten Nationalen Befreiungsfront (Ethniko Apelevtherotiko Metopo, EAM) tätig, unter anderem widmete sie sich der dringend notwendigen Versorgung der hungernden Menschen in Athen. Denn neben dem Befreiungskampf stand für die Nationale Befreiungsfront zunächst als vordringlichste Aufgabe die Bewältigung der durch die Besatzung verursachten alltäglichen Nöte der Menschen im Vordergrund. Das griechische Volk hungerte, die Geburtenrate stürzte ins Bodenlose und jeder dritte Grieche – in manchen Regionen auch weit mehr – litt an epidemischen Infektionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose und Typhus. Die katastrophale Versorgungslage war durch den Raubzug der deutschen Besatzungsorgane hervorgerufen worden, die sämtliche Wirtschaftsgüter Griechenlands von Bodenschätzen bis hin zu Baumwolle, Olivenöl und Tabak entweder für die Kriegswirtschaft ins „Reich“ schickten oder zur Versorgung der eigenen Truppen nutzten – was sogar den Bündnispartner Mussolini zu der sarkastischen Bemerkung veranlasste, daß „die Deutschen den Griechen selbst die Schnürsenkel davongetragen“ hätten.

Innerhalb der EAM nahm der Kampf um das physische Überleben viel Raum ein („Mit dem Schießprügel ißt das Volk kein Brot“), sie organisierte über ihren gewerkschaftlichen Zweig Demonstrationen und Streiks, um wegen der galoppierenden Inflation höhere Löhne und Lebensmittelzuteilungen durchzusetzen und assoziierte Vereinigungen schufen Suppenküchen und vielfältige Hilfseinrichtungen, um die größte Not zu lindern.

Zusammen mit ihrem Mann ging Maria Svolou schließlich 1943 in die durch die griechische Volksbefreiungsarmee befreiten Gebiete, als dieser am 18. April 1944 das Amt des Vorsitzenden des Politischen Komitees der Nationalen Befreiung, der „Bergregierung”, übernahm.

Ihre politische Arbeit setzte sie nach Abzug der deutschen Truppen fort: Unter anderem organisierte sie zusammen mit Rosa Imvrioti im Mai 1946 in Athen die erste landesweite Frauenkonferenz, an der Delegierte der neu formierten Frauengruppen aus verschiedensten Dörfern und Städten teilnahmen und über die erschreckenden Lebensbedingungen berichteten, denen sie als Unterstützerinnen des antifaschistischen Widerstands oder auch als Überlebende des Konzentrationslagers Ravensbrück ausgesetzt waren.

1948 wurde auch Maria Svolou verhaftet. Ohne dass jemals Anklage erhoben wurde, verbrachte sie über ein Jahr im Athener Averoff-Gefängnis. Auf Bitten ihres Mannes enthielt sie sich nach ihrer Freilassung aus Vorsichtsgründen politischer Aktivitäten.

Nach dessen Tod im Jahr 1956 nahm sie ihre politischen Aktivitäten wieder auf. Sie kandidierte für die Vereinigung der Demokratischen Linken (EDA) und gehörte bis 1963 dem griechischen Parlament an.

Dort warf sie 1959 in einer Parlamentsausschuss-Debatte, bei der es um den gesetzlichen Schlussstrich unter die Strafverfolgung deutscher Kriegsverbrecher ging, die Frage auf, wie es möglich sein könne, „dass Menschen, die zu der Generation gehörten, die Furcht und Schrecken der Nazi-Besatzung erlebt haben, Tag für Tag und Stunde um Stunde, und die die Unmenschlichkeit des Eroberers in ihrer schrecklichsten Gestalt durchmachen mussten, (…) ihre Unterschrift unter dieses Gesetzeswerk gesetzt haben, zu Gunsten einer zweifelhaften Freundschaft zu einem Land, das uns keine Gewähr für seine freundschaftlichen Gefühle bietet, und die nicht begriffen haben, dass sie durch ihre Unterschrift unsere nationale Ehre in den Schmutz ziehen“.

Maria Svolou starb am 3. Juni 1976 in Athen.

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